Weit, weit unten rauscht der Verkehr, diffus hört man die Züge, einzelne Laute unterscheidet man kaum in dieser Höhe. Rote S-Bahnen verschwinden unter der
in der Sonne glitzernden Bahnhofshalle, jenseits des Flusses streben ICE-Züge in die Ferne und der Rhein zieht sich wie ein kühles Band durch die Großstadtlandschaft. Überall drängt sattes Grün in das Grau, und auf
der Dachterrasse im 18. Stock gedeihen Seerosen. Wer den Schritt in Wohnung und Atelier der Fotografin Marlis Jonas getan hat, dem brennt sich der unerwartete Blick auf Ludwigshafen und Mannheim ins Gedächtnis.
Wie aus der Vogelperspektive kann man vom höchsten Punkt des Mosch-Hochhauses auf die beeindruckende Kulisse der beiden Großstädte blicken, und man möchte diese Bilder am liebsten festhalten. Genau das tut Marlis
Jonas, die in dieser Penthouse-Wohnung hoch über der Stadt, wo ihr die Motive zu Füßen liegen, Lebensund Arbeitsraum zugleich gefunden hat. "Wir haben eine große Wohnung mitten in der Stadt in einem Hochhaus
gesucht." Dieser Satz lässt aufmerken. Marlis Jonas, ein fröhliches Lächeln auf dem Gesicht, erklärt: "Ich habe 20 Jahre lang auf dem Land gelebt. Dabei bin ich eigentlich ein Stadtmensch ich
komme aus Dortmund. Aber wir sind aufs Land gezogen, weil man meint, man braucht ein Häuschen im Grünen." Irgendwann hatte Marlis Jonas einen Punkt erreicht, an dem sie etwas ändern wollte. Nachdem sie bereits
mit 16 Jahren die Fotografie für sich entdeckt hatte, sich aber gegen die freie und oft brotlose Kunst und für ein Lehramtsstudium mit Kunst und Werken entschieden hatte, hatte sie die erste
Stelle an einer Schule in Ludwigshafen angetreten. Doch die Fotografie ging ihr nie aus dem Sinn und so beschloss sie 1999, der Schule den Rücken zu kehren, um sich der Kunst zu widmen. Bald stellten sich Preise
bei Wettbewerben ein und Marlis entdeckte fast zufällig eine Marktlücke: Bilder von Ludwigshafen. "Die Leute waren ganz begeistert und wollten die Bilder kaufen", schildert Jonas fast erstaunt von ihrer
Erfahrung. Bereits 2001 präsentierte sie ihre erste Einzelausstellung "Magie des Alltäglichen" im Rathaus-Center Ludwigshafen. Mit der zweiten -"Mitten im Leben" -holte sie die Menschen der Stadt
vor die Linse, kehrte dann aber wieder zu ihrer eigentlichen Neigung, dem Grafischen, zurück. Ihre Vorliebe für strenge Ausrichtung bestimmte ihre dritte Ausstellung 2003 "Eine Stadt baut auf
Architektur der 50er Jahre in Ludwigshafen", die am 11. September zum Tag des offenen Denkmals im Kunstverein Ludwigshafen erneut gezeigt wird. Im Rückblick ist sich die 57-Jährige sicher: Die Entscheidung,
wieder in die Stadt zu ziehen, war richtig: "Das Wohnen ist für mich extrem wichtig. Ieh brauche eine tolle Wohnung und ich brauche den Blick. Natürlich steht an jedem Fenster ein Fernglas. Und schließlich hat
es sich so ergeben, dass ganz viele meiner Fotos direkt von hier entstehen. Die Wohnung ist fotografisches Programm. geworden. Meine Bilder, die Wohnung und der Ausblick bilden eine Einheit." Das Panorama vom
Atelier aus ist von Mannheim bestimmt. Die Aussicht auf die Quadratestadt mit Schloss, Jesuitenkirche und Rhein hat Marlis Jonas zunächst in Panoramafotos verarbeitet, die ihr Mann Joachim Krueger am Computer
montiert. Der Anblick der hell erleuchteten Stadt bei Nacht gab den Anstoß zu Jonas' neuester Serie "Stadt im Fluss", die im Rahmen des "Monats der Fotografie" bei theuer + scherr in Mannheim
zu sehen ist. Marlis J onas kann stundenlang von ihrer Arbeit erzählen mit einer Begeisterung, die mitreißt. Und in ihrer Atelierwohnung hat sie dazu die Gelegenheit, wenn sie sich etwa an der Aktion
"Offenes Atelier" beteiligt oder angerufen wird, weil jemand eine ihrer in der Stadt ausliegenden Karten entdeckt hat und vorbei schauen möchte. "Fotografien sind Ausschnitte der Wirklichkeit",
unterstreicht Marlis Jonas, die immer eine Kamera dabei hat. Doch sieht sie Ludwigshafen nicht nur in Ausschnitten, sondern engagiert sich auch in der Bürgerstiftung, die Bilder von Marlis Jonas als Aushängeschild
hat: "Ich liebe es, mich für Ludwigshafen zu engagieren. Man kann nicht alles erwarten, aber selber nichts tun." Und so ruht sich Marlis Jonas nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern schaut nach vorne:
"Ich habe noch mehr in petto, noch mehr Ideen. Die Zeit kommt."
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